POLYTEC PASSION CREATES INNOVATION

„… SIND GUT AUFGESTELLT, UM VON EINER POSITIVEN WENDE ZU PROFITIEREN …“

Interview mit dem Vorstand

Markus Huemer (CEO/CFO), Peter Bernscher (CCO) und Heiko Gabbert (COO) im Gespräch über Erfolg trotz großer Herausforderungen, Resilienz, Auftragsrekorde, Nachhaltigkeit, Wandlungsfähigkeit, Technologievielfalt und Innovation.​​​​​​​

 


Herr Huemer, anders als erwartet hat das Jahr 2022 keine Fortsetzung des wirtschaftlichen Aufschwungs nach Corona gebracht, sondern erhebliche neue Verwerfungen. Wie ist es der POLYTEC GROUP in diesem Umfeld ergangen?​​​​​​​


​​​​​​​Markus Huemer: Weniger gut, als wir ursprünglich erhofft hatten – aber auch nicht so schlecht. Das Jahr war nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine in allen Unternehmensbereichen von durchgehendem Firefighting geprägt. Doch der Spagat zwischen Material- und Energiepreissteigerungen, Personalknappheit und weiterhin volatilen Abrufen einerseits und der Sicherung unseres künftigen Geschäfts andererseits ist uns gut gelungen. Das Ergebnis für 2022 ist zwar nicht zufriedenstellend – doch auf die Leistung der gesamten Organisation können wir stolz sein. Die grundlegende Transformation unseres Unternehmens in den vergangenen Jahren hat sich damit einmal mehr bewährt. ​​​​​​
 


Der Krieg in der Ukraine hat neue Herausforderungen gebracht, aber auch schon bestehende Schwierigkeiten verschärft. Wie sah das für Sie aus? 

 

Markus Huemer: Wir sind tatsächlich nicht erst seit dem Ukrainekrieg mit erheblichen Umwälzungen konfrontiert. Im Prinzip ist unsere Industrie seit dem Dieselskandal nicht mehr wirklich zur Ruhe gekommen. Dieser hat ab 2017 einige Produktgruppen – und damit auch einige unserer Standorte – stark getroffen, bis hin zu Werksschließungen. 2020 folgte dann Corona mit den bekannten Effekten, die wir durch Reduktionen bei Kosten, Mitarbeiterstand und Investitionen verhältnismäßig gut managen konnten. 

2022 hat nun im zweiten Halbjahr zwar eine gewisse Erholung gebracht, wenn auch bei Weitem noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht werden konnte. Das stellt uns nach den erheblichen Anpassungen der Vorjahre vor die ­Herausforderung, unsere Strukturen wieder auf ein höheres Leistungsniveau zu bringen. Diese Rückkehr vom Krisenmodus in einen normalen operativen Modus geht nicht von heute auf morgen, sondern dauert ihre Zeit, und wir werden auch noch im ersten Halbjahr 2023 damit beschäftigt sein. Immerhin wird die Volatilität immer geringer und macht damit unser Geschäft berechenbarer. 

Heiko Gabbert: Wir haben hohe Aufwendungen, um die teils sehr kurzfristig angestiegenen Lieferabrufe bedienen zu können. Verschärft wird dies noch dadurch, dass nun auch wir vom allgemeinen Chipmangel betroffen sind, weil dringend benötigte neue Anlagen nicht lieferbar sind. Die Situation bessert sich aber laufend, auch durch die bereits erwähnte Abnahme der Volatilität. Einen empfindlichen Engpass gibt es übrigens bei den Mitarbeiter:innen, und dies nicht nur bei Fachkräften, sondern auch bei den Werker:innen. Das betrifft vor allem das Leasingpersonal. Hier kämpfen wir mit dem Problem, dass die unregelmäßigen Abrufe auch bei den Leiharbeitskräften eine hohe Fluktuation nach sich gezogen haben, die sich auf die Performance nicht gerade positiv ausgewirkt hat. Eine dauer­hafte Stabilisierung der Abrufe sollte jedoch auch hier eine Erleichterung bringen. Material war hingegen 2022 durchwegs gut verfügbar, aber zu teils deutlich höheren Preisen als in der Vergangenheit.

Peter Bernscher: Die Weitergabe der massiven Kostensteigerungen an unsere Kunden ist ein Thema, das uns ständig begleitet und fordert. Wir sind hier glücklicherweise durchaus erfolgreich. Es bedarf aber laufender Anstrengungen, die Umsetzung getroffener Vereinbarungen auch tatsächlich zu erreichen und – angesichts weiterer Kostenhöhungen – immer wieder neue Agreements zu treffen. Dabei müssen wir stets darauf achten, dass wir die Balance zwischen der Durchsetzung berechtigter Forderungen einerseits und einem guten Gesprächsklima für neue Aufträge andererseits wahren. Der ­Rekordauftragseingang des Jahres 2022 zeigt aber, dass uns das recht gut gelungen sein dürfte.
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Wie sehen denn die Zahlen für 2022 aus?

 

Markus Huemer: In Summe hat sich unser Umsatz – stark angetrieben durch die erfolgreiche Weitergabe von Kostensteigerungen – durchaus im Rahmen unserer Planungen entwickelt. Bei einzelnen Kunden gab es allerdings punktuell Ausreißer nach unten. Per Saldo lag der Konzernumsatz damit bei knapp über EUR 600 Mio. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg bin ich aber wie erwähnt nicht zufrieden. Abgesehen vom allgemeinen Umfeld haben sich hier auch Mengenunterschreitungen sowie erhebliche Mehrkosten beim SAP-Roll-out in unseren Werken Lohne, Wolmirstedt und Thannhausen negativ ausgewirkt. Gegen Jahresende haben dann auch die schon erwähnten Kapazitätsengpässe in einigen Bereichen zu Mehrkosten geführt. Wir haben die Problemfelder aber erkannt und die richtigen Maßnahmen definiert. Nun müssen wir sie auch umsetzen. Der gute Auftragseingang des vergangenen Jahres und die für 2023 bevorstehenden Neuanläufe erlauben jedenfalls einen optimistischen Blick.
 


Damit haben Sie nach Corona auch das Jahr 2022 gut bewältigt. Warum gelingt es POLYTEC besser als anderen Unternehmen, Krisen zu überwinden?

 

Markus Huemer: Es wäre mutig zu behaupten, dass es uns finanziell deutlich besser geht als anderen. Doch wir können mit Stolz sagen, dass die Transformation der POLYTEC GROUP greift. Das betrifft zum einen unsere internen Strukturen und Prozesse, die sich mit dem Konzept ONE POLYTEC auch in einem denkbar schwierigen Umfeld bewähren. Gleichzeitig trägt unsere Neuausrichtung in der Marktbearbeitung durch die POLYTEC SOLUTION FORCE mit starken Auftragseingängen sehr erfreuliche Früchte, sowohl im vergangenen Geschäftsjahr als auch gerade jetzt. Betriebswirtschaftlich zeigt sich das an unserer nach wie vor starken Eigenkapitalquote von 43 Prozent. 

Die Kehrseite der Medaille ist allerdings der erhebliche Druck auf unsere Liquidität und unser Ergebnis. Durch intensives Working-Capital-Management ist es uns 2022 aber dennoch gelungen, einen angemessenen Free Cashflow zu erzielen. Fakt ist jedoch auch, dass die Automobilhersteller sehr zögerlich bei der Abgeltung von Kostensteigerungen sind, solange unsere Eigenkapitaldecke so stark ist. 

Wir sind aber insgesamt zuversichtlich, und jeder Schritt in Richtung Normalisierung des Marktes sollte sich dank unserer guten Position im Lauf des Jahres 2023 positiv auf unser Ergebnis auswirken. Wir werden mit konsequenter Optimierung, aktiver Marktbearbeitung und der weiteren Diversifikation in den Non-Automotive-Bereich bewusst dazu beitragen.

 


Ihre Strategie bewährt sich also offenbar. Mussten Sie hier in jüngerer Vergangenheit – gerade vor dem Hintergrund der diversen Krisen – nachjustieren?

 

Markus Huemer: In Details mussten wir durchaus kleine evolutionäre Anpassungen vornehmen, doch stetige Veränderung und Anpassung sind eine Konstante im unternehmerischen Alltag. Insgesamt gab es aber nur sehr wenig Änderungsbedarf. Die drei Säulen unserer Strategie – Marktposition, Innovation und Kundennutzen – bleiben weiterhin unsere Wegweiser in die Zukunft. Die massive Veränderung im Vorfeld, konkret die Neuaufstellung als ONE POLYTEC, war eine Herkulesaufgabe, doch sie bewährt sich, das haben wir schon ausgeführt. Auch wenn da und dort naturgemäß Nachjustierungen notwendig sind.
 


Krisenzeiten haben für POLYTEC in der Vergangenheit Potenzial für Übernahmen geboten. Gibt es hier nennenswerte Entwicklungen?

 

Markus Huemer: Die vergangenen Jahre mit ihren vielfältigen Schwierigkeiten würden nahelegen, dass sich vermehrt Gelegenheiten bieten. Wir beobachten die Situation auch sehr genau und führen immer wieder Gespräche. Es gibt aber derzeit wenige Insolvenzen in unserer Branche. Angesichts der Entwicklung unserer Liquidität kommen für uns aber – trotz unserer komfortablen Eigenkapitalausstattung – nur Unternehmen infrage, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden und daher günstig auf den Markt kommen. Dafür gibt es derzeit keine konkreten Targets.
 


Und warum gibt es derzeit keine Insolvenzen?

 

Markus Huemer: Weil viele Unternehmen künstlich am Leben erhalten werden. Einerseits hat die öffentliche Hand während der Coronapandemie durch Förderungen viel Liquidität bereitgestellt, andererseits bieten die Usancen unserer Branche breiten Raum für Liquiditätshilfen seitens der Kunden, um die Lieferbereitschaft sicherzustellen. Damit können Unternehmen, die eigentlich insolvent wären, weiter existieren. Manche Medien sprechen hier plakativ von Zombieunternehmen – und haben nicht ganz unrecht damit. Denn wirtschaftlich nachhaltig ist dieses Modell nicht, weil die betroffenen Unternehmen nicht mehr in Innovationen investieren können. Wir sind hier dank unserer soliden Eigenkapitaldecke wesentlich besser aufgestellt.
 


Herr Bernscher, im Geschäftsjahr 2022 verzeichnete die POLYTEC GROUP den größten Auftragseingang der Konzerngeschichte. Was steht hinter diesem Erfolg?

 

Peter Bernscher: Dieser Erfolg beruht darauf, dass wir den Weg der POLYTEC SOLUTION FORCE konsequent gehen und uns auf jene Produktfelder konzentrieren, die Potenzial versprechen und in denen wir unsere Kompetenzen am besten ausspielen können. Die enge Vernetzung von Vertrieb und Engineering in der POLYTEC SOLUTION FORCE schafft die ideale Plattform dafür. Wir verkaufen nicht mehr Technologien, sondern Lösungen, und das strukturiert nach anwendungsorientierten Produktlinien. Das anerkennen auch unsere Kunden, und wir sehen es ganz augenfällig in den spannenden Neuaufträgen, die wir 2022 gewinnen konnten.
 
Ein ganz zentraler Schwerpunkt ist dabei mittlerweile die E-Mobilität, und wir sind zuversichtlich, dass wir den Rückgang bei unseren Produkten für konventionell betriebene Fahrzeuge damit in einigen Jahren sogar überkompensieren werden. Wirklich neue Aufträge betreffen mittlerweile fast immer E-Mobilität, bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor geht es zumeist um Updates bestehender Plattformen. Bei Elektroautos sind unsere Schwerpunkte die Bereiche Unterboden samt Schutz des Batteriemoduls, Medienmanagement – damit sind Öl, Wasser, Kühlung und Schallschutz gemeint – sowie das Wachstumsfeld unserer neuen Product Line Battery ­Applications, also Komponenten für Batterien, beispielsweise Ober- bzw. Unterschalen sowie Zellseparatoren. 

Wir vernachlässigen aber auch andere Kompetenzfelder nicht. So haben wir etwa mit Painted Exteriors für das High-End-Segment eine attraktive Nische gut besetzt und erzeugen Anbauteile für viele Premiumkunden. Gerade in England, wo wir zwei Lackierwerke betreiben, sind wir damit erfolgreich und wollen dieses Geschäft auch noch weiter ausbauen. Dass sich Jaguar gerade selbst neu erfindet und unter anderem mehrere neue Elektrofahrzeuge herausbringt, hilft uns dabei. Doch auch in Hörsching planen wir eine Investition in den Ausbau dieser Produktlinie.

 

Und wie sieht es mit der angestrebten Portfolioerweiterung in Richtung anderer Anwendungs- bzw. Produktbereiche aus? Mittelfristig wollten Sie Ihre Abhängigkeit von der Automobilindustrie ja verringern …

Peter Bernscher: Auch hier sind wir gut unterwegs. Neben den bekannten automotiven Produkten setzen wir auch auf andere Mobilitätsformen, etwa People Mover, und wir werden zum Beispiel für das Flugtaxi des Salzburger Start-ups FlyNow die gesamte Kabine produzieren. Generell sehen wir hoch interessante Anwendungsmöglichkeiten für Kunststoff in den neuen Mobilitätskonzepten, die sich aus der Entwicklung immer größerer ­Megacitys ergeben. 

In der Product Line Smart Plastic Applications entwickeln und erzeugen wir aber auch Produkte abseits der Mobilität, etwa nachhaltige Transportboxen oder künftig auch Plant Trays. Durch ihre Rezyklierbarkeit verwirklichen diese, aus Thermoplasten gefertigten, Mehrweglösungen das Konzept der Kreislaufwirtschaft – und zahlen damit auf ein Thema ein, mit dem wir uns ­unter dem Titel „Live Cycle Assessment“ auch bei unseren anderen Produkten intensiv beschäftigen. Außerdem befassen wir uns aktuell mit Ladeinfrastruktur – etwa mit innovativen Lösungen für kabelloses Laden. 

 


Sie haben zuvor von punktuellen Kapazitätsengpässen nach den Standortschließungen der Jahre 2019 und 2020 gesprochen. Wie groß ist der Investitionsbedarf, um die erwähnten neuen Aufträge ­erfüllen zu können?

 

Heiko Gabbert: Wir müssen die Lücken, die durch Dieselgate und Corona entstanden sind, wieder füllen. Dies betrifft aber keineswegs alle Standorte, und die Basiskapazität ist jedenfalls vorhanden. Es sind nur vereinzelt und produktspezifisch Investitionen erforderlich, auch in neue Technologien, die sich allerdings – auch das ist schon erwähnt worden – durch hohe Lieferzeiten verzögern. Wir investieren dabei durchwegs an bestehenden Standorten, neue Werke sind nicht vorgesehen. Hier bestehen weiterhin nutzbare Ressourcen, die teilweise nur adaptiert werden müssen.

Insgesamt gilt: Durch die Verlagerungen aus den geschlossenen Werken konnten Kapazitätsdefizite anderer Standorte ausgeglichen werden. Dies wäre ohne ONE POLYTEC – und damit die Technologieunabhängigkeit der einzelnen Werke – gar nicht möglich gewesen. 

 


Wie sieht es außerhalb Europas aus? Macht sich nach den jüngsten Lockerungen der Coronamaßnahmen in China wieder ein Aufschwung bemerkbar? Und wie wirken sich die Turbulenzen rund um den Brexit auf Ihre Werke in England aus? 

 

Heiko Gabbert: Unser Werk in China war kaum von Turbulenzen betroffen und hat trotz Corona erstaunlich stabil produziert, die Zahlen entsprechen ungefähr dem Niveau von 2019. Hier fällt positiv ins Gewicht, dass der Standort relativ klein ist und Teile erzeugt, die der nahe gelegene Kunde laufend benötigt. Wir sind mit dem Werk also sehr zufrieden. Und in England erweist sich der Brexit geradezu als Vorteil für uns – wir werden hier mit einigen Plattformen erfreulich hohe Umsätze im Premium-Segment erzielen. Die aktuelle Entwicklung bei Jaguar, die sich hier auch noch zusätzlich positiv auswirken wird, hat Peter Bernscher schon erwähnt …

 


2022 haben Sie eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie mit dem Ziel verabschiedet, bis 2035 vollständig CO2-neutral zu produzieren. Wie möchten Sie dieses Ziel erreichen, und wo stehen Sie aktuell? ​​​​​​​

​​​​​​​Heiko Gabbert: Nachdem wir Nachhaltigkeitsmanagement Ende 2021 als eigene Managementfunktion etabliert hatten, sind wir 2022 voller Energie in die Umsetzung gestartet. Schwerpunkte waren eine Konkretisierung unserer Nachhaltigkeitsziele, die Erstellung einer Dekarbonisierungs-Roadmap und die Definition von acht Handlungsfeldern, in deren Rahmen wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie nun umsetzen wollen. Wir spüren hier großes Interesse und steigende Ansprüche unserer Kunden, aber auch unserer Mitarbeiter:innen, Stichwort Employer Branding. 

Derzeit arbeiten wir – schon wegen der massiven Kostensteigerungen – an einem umfassenden Energiesparprogramm, das von kleinen Maßnahmen wie der Temperaturregulierung bei Heizungen bis hin zu aufwendigen Steuerungsmaßnahmen reicht. Ein wichtiges Thema ist dabei gerade bei uns die Prozesswärme. Immer mit der Frage im Hinterkopf, was wir einsparen können, ohne unsere Prozesse zu beeinträchtigen, arbeiten wir hier an vielfältigen Reduktions- und Optimierungsmaßnahmen. Parallel dazu beschäftigen wir uns intensiv mit Investitionen in erneuerbare Energien.

 


Gerade ist das Thema Employer Branding angeklungen. Allerorts klagen Unternehmen über Fachkräfte- bzw. generell Arbeitskräftemangel. Welche Maßnahmen setzen Sie, um hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für POLYTEC zu gewinnen und zu halten?

 

Markus Huemer: Wir bieten ein dynamisches Umfeld, das von viel Veränderung geprägt ist und hohen Gestaltungsspielraum bietet. Zusätzlich haben wir unter dem Titel „Good Place to Work“ eine Initiative ins Leben gerufen, in deren Rahmen wir ein ganzes Bündel an Maßnahmen umsetzen, um unsere Attraktivität für den Arbeitsmarkt noch zu erhöhen. Dazu zählen Ausbildungsprogramme ebenso wie umfangreiche Mitgestaltungsmöglichkeiten für unsere Mitarbeiter:innen und vieles mehr. Leistungsbereite und engagierte Menschen mit Weitblick haben bei uns wirklich gute Karrieremöglichkeiten, wie zahlreiche beeindruckende Lebensläufe unserer Mitarbeiter:innen bestätigen. Das kommunizieren wir auch aktiv. Dennoch ist es immer eine große Herausforderung, geeignete Mitarbeiter:innen in der erforderlichen Zahl zu gewinnen. In besonderem Maß gilt das, wie eingangs schon erwähnt, im gewerblichen Bereich, auch vor dem Hintergrund der allgemein steigenden Ansprüche an Arbeitsplatz und -bedingungen. Umso wichtiger ist es, ein motivierendes Umfeld zu gestalten. In Summe gilt dabei: Unsere Branche ist nach wie vor attraktiv, und die Leidenschaft für die Automobilindustrie ist bei vielen Menschen weiterhin vorhanden.
 


Hochqualifiziertes Personal ist auch die Grundlage für die Technologievielfalt und Innovationskraft von POLYTEC. Welche Initiativen verfolgen Sie hier derzeit besonders?

 

Heiko Gabbert: Einen wichtigen Schwerpunkt bildet gerade unsere Digitalisierungsoffensive, die uns auf dem Weg zur Smart Factory einen großen Schritt voranbringt. Sie bildet die Basis für eine Vielzahl von Neuerungen und Optimierungen, darunter intelligente Automatisierungen und Prozessdaten-Monitoring ebenso wie automatisierte Logistiksysteme. Unser übergeordnetes Ziel dabei: die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit unserer westeuropäischen Standorte durch eine Optimierung der Kostenstruktur. 
 

Peter Bernscher: In Sachen Innovation verfolgen wir ganz generell die Strategie, unser vorhandenes Know-how einerseits zu bündeln und konzentriert einzusetzen und es andererseits über Partnerorganisationen anzureichern und zu ergänzen. Auf dieser Basis entwickeln wir im Rahmen spezifischer Engineering Streams die Produkte, die nach unserer Einschätzung in der Zukunft nachgefragt sein werden. Damit bauen wir nicht zuletzt für die mannigfaltigen neuen Mobilitätskonzepte vor, die uns in einigen Jahren im Alltag begegnen werden. Fokusthemen dabei sind Funktionsintegration, Nachhaltigkeit, Betriebsstoffmanagement in der E-Mobilität und hoch innovative Unterbodensysteme. Die Product Line Smart Plastic Applications profitiert dabei von unzähligen Spin-offs aus unseren bisherigen und aktuellen automotiven Entwicklungen und Kompetenzen. 

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 Der Wandel der Mobilität in Richtung Elektroantrieb schreitet zügig voran. Gelingt es Ihnen, Ihr Know-how im Bereich klassischer Antriebssysteme auf Elektromobilität zu übertragen bzw. wie viel Potenzial sehen Sie in dieser Entwicklung für die POLYTEC GROUP?

 

Peter Bernscher: Wie vorhin schon gesagt, gehen wir davon aus, dass wir die marktbedingten Einbußen bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor durch neue Aufträge und Umsätze im Bereich E-Mobilität mehr als wettmachen werden. Schon bisher ist es gelungen, unsere Kompetenzen auf diesen neuen Bereich zu übertragen, dasselbe gilt in hohem Maß für unsere Anlagen. Da wir die gesamte Breite der Kunststoffverarbeitung abdecken, sollte das auch in Zukunft möglich sein. Zum Teil bauen wir dafür auch gezielt neues Know-how auf, wenn die E-Mobilität neue Anforderungen stellt oder wir zusätzliches Marktpotenzial sehen. 

Besonders hervorheben möchte ich hier die im vergangenen Jahr neu eingeführte Product Line Battery Applications. Wir verstehen uns dabei nicht als Entwickler gesamter Batteriemodule, sondern als Innovator für verschiedenste Komponenten dafür. Ich möchte noch nicht verraten, mit welchen namhaften OEMs wir uns hier derzeit in Entwicklungspartnerschaften befinden. Aber wir werden bis Ende 2023 konkrete Erfolge vorweisen können.

 


Derzeit steht für die POLYTEC GROUP eine Refinanzierung in Höhe von ca. EUR 70 Mio. an. Wie sieht es damit aus? 

 

Markus Huemer: Nachdem wir in den letzten Jahren immer wieder Finanzierungen aus dem laufenden Cash-Flow rückgeführt bzw. neue Investitionen teils auch Asset-basiert finanziert haben, müssen wir für diese deutlich größere Tranche nun wieder Fremdmittel aufnehmen. Wir stehen dazu in ehr konstruktiven Verhandlungen mit mehreren Banken und stoßen auf großes Interesse bei unseren potenziellen Finanzierungspartnern. 

Motive dafür sind unsere gute Marktposition, unser zukunftsfähiges Produktportfolio, unsere gute Auftragsentwicklung, unser Erfolg bei der Weitergabe von Kostensteigerungen an unsere Kunden sowie unsere solide wirtschaftliche Lage. Die Konditionen sehen heute natürlich anders aus als noch vor wenigen Jahren, sowohl Zinsen als auch Aufschläge sind deutlich gestiegen. Doch die Refinanzierung ist gesichert, auch das bekräftigt unseren strategischen Kurs.

 


2022 ist es mit dem Wert Ihrer Aktie kontinuierlich bergab gegangen. Heute liegt der Kurs kaum über dem Niveau des Krisenjahres 2020. Wann dürfen Ihre Aktionärinnen und Aktionäre wieder mit einer Wertsteigerung ihrer Beteiligung an der POLYTEC GROUP rechnen?

 

Markus Huemer: Eine leider berechtigte Frage. Unsere Aktie hat sich 2022 nicht nur schlechter entwickelt als der Wiener Gesamtmarkt, sondern auch als unsere Peer Group gemessen am EURO STOXX Auto & Parts – auch wenn sie den ATX bis zum Herbst hinter sich gelassen hat. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass unsere Branche schwer zu bewerten ist und dass Investor:innen daher unsicher werden. Andererseits haben wir viele treue Aktionärinnen und Aktionäre, die langfristig an unsere Industrie glauben. 

Der Kurs der POLYTEC-Aktie hält sich nun seit Monaten stabil in der Gegend von EUR 5. Angesichts unserer soliden Eigenkapitalquote und der Tatsache, dass alle unsere Immobilien in unserem Eigentum stehen, ist diese Bewertung eher konservativ. Betrachtet man unsere Ergebnisentwicklung, sieht es wiederum anders aus. Letztlich ist es eine Frage der subjektiven Einschätzung. Wer an die Überlebensfähigkeit unserer Branche glaubt und die Positionierung von POLYTEC analog zu unseren Kunden und Finanzierungspartnern als gut erachtet, wird wohl einiges an Potenzial sehen. Angesichts des aktuellen Umfelds braucht es aber möglicherweise noch etwas Geduld. Wir sind jedenfalls gut aufgestellt, um von einer positiven Wende zu profitieren.

 


Können Ihre Eigentümerinnen und Eigentümer für 2022 mit einer Dividende rechnen?

 

Markus Huemer: Ja, wir wollen der Hauptversammlung so wie im Vorjahr die Ausschüttung einer bescheidenen Dividende von 10 Cent pro Aktie vorschlagen. Auch wenn unser Ergebnis nicht dem entspricht, was wir uns vorgestellt hätten, ist im abgelaufenen Jahr doch vieles gelungen. Die Entwicklung geht in die richtige Richtung, und daran möchten wir auch unsere treuen Aktionärinnen und Aktionäre teilhaben lassen. Das halten wir im Licht unserer soliden Zukunftsperspektiven auch bei einem negativen Nettoergebnis für angemessen.

 


Zum Abschluss bitte noch Ihr Ausblick ins Jahr 2023 und darüber hinaus.

 

Markus Huemer: Unter der Prämisse einer tendenziellen Markterholung, einer vorsichtigen Normalisierung der Abrufe, mehrerer Neuanläufe in der Produktion und einer Stabilisierung der Lieferketten sehe ich das Jahr 2023 durchaus mit einem gewissen Optimismus. Konkret rechnen wir aus aktueller Perspektive mit einem Umsatzniveau in der Größenordnung von EUR 650 bis 700 Mio., und auch das Neugeschäft dürfte wieder sehr gut ausfallen.

Umgekehrt sorgen externe Faktoren wie die anhaltend hohe Inflation sowie gestiegene Personal-, Energie- und Materialkosten, aber auch interne Aufgaben wie die Bewältigung der erwähnten Kapazitätsengpässe weiterhin für Belastungen. Damit wird uns das Jahr 2023 einmal mehr vor besondere Herausforderungen stellen. Die Antworten auf diese Herausforderungen haben wir formuliert – nun müssen wir sie konsequent umsetzen. Wir verfügen jedenfalls über die richtigen Produkte und auch die entsprechende Marktposition, um von einer Stabilisierung der Märkte zu profitieren. Dafür stehen wir in den Startlöchern. 

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